Was ist ein Selbstversorger? – Grundlagen der Selbstversorgung

Selbstversorger - Mistgabel

Negative Begleiterscheinungen des modernen Alltags rücken das Konzept der Selbstversorgung zunehmend in den Fokus. Umweltverschmutzung, Lebensmittelskandale und Fremdbestimmung veranlassen zivilisationsmüde Menschen dazu, die Verantwortung für ihre Nahrung zurückzuholen. Doch was genau ist ein Selbstversorger? Wie kann die Idee vom autarken Leben realisiert werden? Lesen Sie hier fundierte Informationen zu den Grundlagen der Selbstversorgung.

Seit die Wohlstandsgesellschaft den Menschen ihr unfreundliches Gesicht zeigt, richtet sich der Blick auf das Konzept der Selbstversorgung. Umweltverschmutzung, Alltagszwänge und verseuchte Lebensmittel sind nur einige der Beweggründe für das verstärkte Interesse an mehr Selbstbestimmung und Lebensqualität. Längst hat der Selbstversorger den Ruf als Aussteiger und Realitätsverweigerer hinter sich gelassen. Die Umsetzung dieser Philosophie kann durchaus eingebunden werden in den hart erarbeiteten Lebensstandard und gilt nicht als radikales Gegenkonzept zur bisherigen Lebensgestaltung. Lesen Sie hier, auf welchen Grundlagen die Selbstversorgung basiert.

Moderne Definition gründet auf Historie

Der scheinbar selbst erklärende Begriff des Sich-selbst-Versorgers eröffnet in der Tat zahlreiche Optionen einer konkreten Definition. In den Medien erstreckt sich die Bandbreite der Erklärungsversuche vom Urlaubs-Selbstversorger mit Campingwagen bis hin zum Aussteiger, der indes rigoros der Zivilisation den Rücken kehrt.

Um allen populistischen Ballast vom Begriff des Selbstversorgers abzuschütteln, hilft ein Blick auf die historische Entwicklung. Der Gedanke der eigenständigen Beschaffung aller Komponenten für den Lebensunterhalt ist demzufolge so alt, wie die Menschheit. Jäger und Sammler sind bereits als Selbstversorger zu betrachten. Mit dem Ende der nomadischen Lebensweise und dem Beginn des Ackerbaus um 10.000 vor Christus, nahm zugleich der Aufbau einer arbeitsteiligen Gesellschaft ihren Anfang. Nahrungsproduktion, Vorratshaltung und Handwerksleistungen sorgten für Unabhängigkeit von den Unwägbarkeiten der natürlichen Umwelt. Über den Tauschhandel mit den Nachbarn wurden Lücken in der Versorgung geschlossen. Aufgrund der historischen Entwicklung hat sich folgende Definition herauskristallisiert:

Ein Selbstversorger erschafft zu einem großen Teil die materiellen Grundlagen seines täglichen Lebens selbst, statt auf die Produkte des Handels zurückzugreifen. Im Zentrum stehen der Anbau von Nahrungsmitteln, deren Vorratshaltung sowie die Herstellung von Gebrauchsgütern für die Bewältigung des Alltags. In letzter Konsequenz zählt die Erzeugung von Energie dazu. Alle Tätigkeiten erfolgen im Einklang mit der Natur.

Grundlagen für Selbstversorger

Über den Weg der Industriellen Revolution bis in die Moderne ist die Spezialisierung des Individuums soweit fortgeschritten, dass sich breite Bevölkerungsschichten von der Natur entfremdet haben. Eine unvermittelte Kehrtwende des Alltags hin zum Definitions-konformen Selbstversorger würde zweifellos im Chaos enden. Realistischer ist eine sukzessive Umsetzung der Leitgedanken einer autarken Lebensführung, um dem Konzept möglichst nahe zu kommen. Der folgende Überblick nennt die zentralen Aspekte einer Selbstversorgung nach moderner Auffassung:

  • Anbau von Gemüse und Obst zur teilweise oder vollständigen Deckung des täglichen Bedarfs
  • Pflege und Ernte der Nahrungsmittel im respektvollen Umgang mit der Natur
  • Konservierung und Bevorratung ohne Einsatz chemischer Mittel
  • Artgerechte Haltung von Nutztieren
  • Herstellung von wirklich notwendigen Werkzeugen und Geräten
  • Beschaffung fehlender Güter in der Region im Sinne der Nahversorgung
  • Pflege sozialer Kontakte im unmittelbaren Umfeld
  • Umweltschonende Nutzung von Energie
  • Pflege eines gesunden Lebensstils
  • Rückbesinnung auf die Heilkräfte der Natur in Kräuterpflanzen

Jede Aktion, mit der die Verantwortung für die eigene Lebenshaltung zurückgeholt wird, ist ein gelungener Schritt in Richtung Selbstversorgung. Indem Sie sich den Mechanismen globaler Einflüsse auf die Herstellung von Lebensmitteln und Gütern weitgehend entziehen, gewinnt die persönliche Freiheit zunehmend Raum in Alltag. Auf lieb-gewonnenen Komfort muss dabei dennoch niemand verzichten. Es obliegt Ihrer individuellen Entscheidung, wie weit die Grundlagen der Selbstversorgung Ihr Lebenskonzept definieren.

Gemüsegarten

Der Pionier der Selbstversorgung, John Seymour, plädierte schon Anfang der 1970er Jahre dafür, genau jetzt den Beginn der Selbstversorgung in Angriff zu nehmen. Statt sich in langwierigen Planungen zu verirren, fällt der Startschuss im eigenen Gemüsegarten. Im Vorfeld sollte geklärt sein, wieviel Zeit in die Pflege investiert werden kann und welche Platzkapazitäten zur Verfügung stehen. Daraus folgt die Entscheidung, ob eine komplette oder teilweise Selbstversorgung angestrebt wird. Die folgenden Erfahrungswerte zum Flächenbedarf haben sich als realistisch erwiesen:

Gemüsegarten

Teilweise Selbstversorgung:

  • 1 Erwachsener: 25 m²
  • 2 Erwachsene (Ehepaar): 50 m²
  • Familie mit 2 Kindern: 100 m²

Überwiegende Selbstversorgung:

  • 1 Erwachsener: 70 m²
  • 2 Erwachsene (Ehepaar): 140 m²
  • Familie mit 2 Kindern: 280 m²

Vollständige Selbstversorgung:

  • 1 Erwachsener: 170 m²
  • 2 Erwachsene (Ehepaar): 340 m²
  • Familie mit 2 Kindern: 680 m²

Diese Richtwerte umfassen den erforderlichen Platz für den Anbau von Gemüse, Obst und Kräutern sowie den Komposthaufen und Arbeitswege.

Planung mit Skizze

Haben Sie ein geeignetes Stück Land erworben oder gepachtet, legen Sie anfangs eine Skizze vom Grundriss an und tragen wichtige Informationen zu den Standortbedingungen darin ein. Auf dieser Grundlage lassen sich im weiteren Verlauf fundierte Entscheidungen über den Pflanzplan treffen. Diese Details sollten in der Zeichnung enthalten sein:

  • Himmelsrichtung einschließlich dominierender Windrichtung
  • Farbige Markierung von sonnigen, halbschattigen und schattigen Lagen
  • Bereits vorhandene Bäume und Sträucher
  • Wasserquelle

Eine nach Norden ausgerichtete Fläche mit mächtigen Bäumen erbringt naturgemäß einen geringeren Ernteertrag, als ein noch unbewachsener Garten mit Süd- oder Süd-West-Lage. Die große Mehrheit an Gemüse-, Obst- und Kräuterpflanzen bevorzugt indes einen halbschattigen Standort. Nur wenige Nutzpflanzen kommen mit praller Sonne oder vollem Schatten zurecht. So kann ein Platz im lichten Schatten für den Komposthaufen reserviert werden.

Bodenqualität

Die Qualität der Erde spielt übrigens eine wichtige Rolle im Anbau von Gemüse, Obst und Kräutern für die Selbstversorgung. Der ideale Boden ist folglich locker-humos, nährstoffreich, frisch bis feucht und weist einen pH-Wert um 6,5 auf. Defizite können Sie ausgleichen im Rahmen einer Zuführung von Bodenhilfsstoffen. Eine sehr sandige Erde erhält mit Kompost und Lauberde eine bessere Struktur. Lehmbetonter Boden neigt häufig zu Verdichtung und Staunässe. Indem Sie Quarzsand oder feinen Splitt einarbeiten, wird die Durchlässigkeit optimiert.

Tipp: Nehmen Sie sich als angehender Selbstversorger nicht zu viel vor. Ein Beet lässt sich problemlos schrittweise zum Nutzgarten ausbauen. Ideal ist der Anbau weniger Gemüse-Favoriten, um sich von Jahr zu Jahr an die autarke Versorgung mit Nahrungsmitteln heranzuarbeiten. Das schafft wertvolle Erfahrungen und bewahrt den Spaß an der Sache.

Pflanzplan eines Bauerngartens

Der traditionelle Bauerngarten gilt als Inbegriff des Selbstversorger-Gartens. Schon im Mittelalter legte die arme Landbevölkerung ihren Nutzgarten nach diesem Konzept an, um sich selbst zu versorgen. Als Vorlage dienten die Klostergärten mit dem großen Kreuzgang, sowie einem Obst-, Gemüse- und Kräutergarten. Diese Einheiten fassten die Bauern zusammen, verbanden die Beete mit einem Wegekreuz und zogen einen Staketenzaun als Einfriedung herum. Bewirtschaftet wurden die 4 gleich großen Beete in Mischkultur nach dem Prinzip der Vier-Felder-Wirtschaft, dekorativ umrahmt von Blumen oder Buchsbäumchen als Einfassung.

  • 1. Beet: Starkzehrer, wie Blumenkohl, Rosenkohl, Kartoffeln oder Grünkohl
  • 2. Beet: Mittelzehrer, wie Möhren, Porree, Mangold oder Chicoree
  • 3. Beet: Schwachzehrer, wie Erbsen, Radieschen, Ackerbohnen oder Feldsalat

Bauerngarten

Kräuterpflanzen dürfen im Selbstversorger-Garten nicht fehlen und spielen ebenfalls im Bauerngarten seit jeher eine wichtige Rolle. Eine Vielzahl an Kräutern verbessert nicht nur den Geschmack von Speisen, sondern lindert zugleich gesundheitliche Beschwerden auf natürliche Weise. Arnika, Bärlauch, Beinwell, Basilikum und Co. ist daher das vierte Beet vorbehalten. Zwischen Einfriedung und Beeten finden Beerensträucher Platz, wie Himbeeren, Brombeeren oder Stachelbeeren.

Tipp: Zäune, Pergolen und Wände können als vertikale Anbaufläche genutzt werden. Hier gedeihen rankende Nutzpflanzen ganz wunderbar, wie Erbsen, Tomaten oder Stangenbohnen.

Ökologische Pflege

Zu den tragenden Säulen in der Philosophie der Selbstversorgung zählt der vollständige Verzicht von Pestiziden oder Kunstdünger in der Pflege von Zier- sowie Nutzpflanzen. Der eigene Komposthaufen liefert schließlich wertvolle Nährstoffe, um das Wachstum und den Ernteertrag auf natürliche Art zu fördern. Liegt ein Beet zeitweise brach, reichert eine Gründüngung mit Lupinen, Perserklee oder Luzerne den Boden indes mit Stickstoff und weiteren Nährstoffen an.

Kompost

Eine Mischhecke, ein Laubhaufen oder morscher Baumstamm dienen als Rückzugsort für Nützlinge, die sich auf die Jagd nach Schädlingen machen. In einer Ecke im Garten werden Brennnesseln angebaut, um daraus eine Pflanzenjauche herzustellen, die als Dünger und Bekämpfungsmittel von Krankheiten wertvolle Dienste leistet.

Verarbeitung und Vorratshaltung

Das Konzept des Eigenanbaus von Gemüse, Obst und Kräutern führt nur dann zum erwünschten Erfolg, wenn die Ernte fachgerecht verarbeitet und konserviert wird. Um eine ganzjährige Selbstversorgung sicherzustellen, reicht der Frischverzehr nicht aus. Mannigfaltige Methoden der Bevorratung machen die Ernte haltbar, ohne dass künstliche Mittel angewendet werden müssen. Der folgende Überblick nennt bewährte Techniken der Konservierung:

Kräuter trocknen

  • Gemüse und Obst einkochen in Einweckgläser mit Schraubverschluss
  • Kräuter einlegen in Essig oder Öl
  • Einfrieren in der Tiefkühltruhe
  • Lagern von Gemüse und Kartoffeln in der Erdmiete im Garten
  • Trocknen an der Luft oder im Backofen

Apfelringe trocknen

Aus selbst angebautem Weißkohl und etwas Salz zaubern Sie ein köstliches Sauerkraut. Zusätzlich erforderlich ist ein starker Druck, um den Gärungsprozess in Gang zu setzen. Traditionell angesetzt wird Sauerkraut übrigens in einem Holzfass oder einem Topf aus Steingut und bearbeitet mit einem Stampfer. Die Zugabe von Kümmel oder Wacholderbeeren verbessert den Geschmack. Abgedeckt mit einem Holzbrett und Steinen, darf am kühlen, dunklen Platz keine Luft in den Topf gelangen. Nach 3 bis 6 Wochen ist das Sauerkraut fertig.

Artgerechte Tierhaltung von Hühnern

Als weitere Komponente im Konzept der Selbstversorgung kommt früher oder später die Haltung von Nutztieren hinzu. Massentierhaltung hatte diese Jahrtausende-alte Tradition verdrängt, bis sich schließlich der Wunsch nach einer unabhängigen Versorgung zusehends durchsetzte. Heute rundet die artgerechte Haltung von kleineren Nutztieren die Grundlagen der Selbstversorgung sinnvoll ab. Am Beispiel der Hühner zeigen wir auf, worauf es ankommt:

Huhn

  • Es steht ein Freilauf-Gelände zur Verfügung für den Aufenthalt bei Tag
  • Ein Stall bietet bei Nacht Schutz vor Mardern, Füchsen und Katzen
  • Drinnen und draußen finden die Hühner stets frisches Wasser
  • Mindestens 1 Hahn gesellt sich zu den Hühnern
  • Körnerfutter aus Bio-Anbau rundet das natürliche Nahrungsangebot im Freilaufgelände ab

Um ihre Eier zu legen, sondern sich die Hennen von der Gruppe ab. Damit der Selbstversorger nicht lange nach den frisch gelegten Eiern suchen muss, sollten entsprechende Rückzugsorte für die Tiere bereitstehen.

Energieversorgung in Eigenregie

Dank der technischen Entwicklung ist die Selbstversorgung mit Energie heute unkompliziert umzusetzen. Private Windenergie- und Photovoltaikanlagen oder kleine Wasserkraftanlagen ebnen dementsprechend den Weg zur Unabhängigkeit von öffentlichen Stromnetzen. In einigen Bundesländern werden derartige Anlagen bei der Anschaffung indes  mit Fördermitteln unterstützt. Eine laufende Anlage kann sich in Verbindung mit einer Einspeisevergütung selbst finanzieren. Im Resultat ist der Aufbau der eigenen Stromversorgung eine weitere Etappe, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens unabhängig sowie autark zu decken.

Fazit

Der eigenhändig bewirtschaftete Nutzgarten ist anfangs der erste Schritt auf dem Weg zum Selbstversorger. Ziel ist schließlich die vollständige Unabhängigkeit von industriell produzierter, minderwertiger Nahrung und allen Gebrauchsgütern aus den Händen global agierender Konzerne. Wer sich mit den Grundlagen der Selbstversorgung vertraut macht, erkennt die darin verborgene Rückbesinnung auf alte Werte für mehr Lebensqualität im Einklang mit der Natur.