Ein Wundverschluss nach einem Baumschnitt steht bei Experten sowie Hobbygärtnern seit längerem in der Diskussion. Aber in manchen Ausnahmesituationen sind sich alle über das Versiegeln von Wunden einig. Zu den Handelsprodukten bieten verschiedene Hausmittel eine gute Alternative. Alles, was Sie darüber wissen sollten, erklärt der Pflanzen-Experten.
Wundverschluss sinnvoll?
Wenn nach einem Baumschnitt die Pflanzenfasern offen liegen, bieten sie in der Regel einen optimalen Zugang ins Bauminnere für Pilze, Bakterien, Viren und Feuchtigkeit. Dies erhöht das Risiko von folgenschweren Erkrankungen, die bis zum Absterben des Baums führen können. So die Theorie, wie sie seit Jahrzehnten besteht und bis heute vielfach noch in Fachbüchern vor allem in Bezug auf Obstbäume empfohlen wird.
Selbstheilungskräfte anstatt Wundverschluss
In den 80er Jahren hat der amerikanische Forschungswissenschaftler Alex Shigo den Sinn eines generellen Wundverschlusses nach einem Baumschnitt oder „offenen“ Verletzungen infrage gestellt. Die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten ergaben, dass Bäume über ein meist starkes Selbstheilungssystem verfügen und ein externer Wundverschluss sogar mehr Schaden anrichten als helfen kann. Gesunde Bäume besitzen in der Regel eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Verletzungen, wie sie durch einen Baumschnitt, Abbrechen von Ästen oder Rinden- und Holzbeschädigungen auftreten.
Wundverschluss kann schaden
Die meisten Produkte zum Versiegeln von Baumwunden dichten nahezu luftdicht ab, um ein Eindringen von Außen zu verhindern. Genau dieser Umstand stört den Selbstheilungsprozess und kann sogar das Erkrankungsrisiko deutlich erhöhen. Dies beruht auf dem Fakt, dass abdichtende Wundverschlussmittel keinen Sauerstoff hindurch lassen, den Bäume zur Selbstheilung benötigen. Risse können in der Versiegelung entstehen, die neue Eintrittsmöglichkeiten für Infektionen und Feuchtigkeit schaffen.
Eine zügige Abtrocknung der Wundstellen wird verhindert, was zudem eine Pilzinfektion sowie Fäulnis begünstigt.
Aus diesem Grund raten Experten von einer generellen Wundversiegelung ab und empfehlen, diese nur in bestimmten Fällen vorzunehmen.
Natürliche Regenerierung
Die Wundheilung von Bäumen funktioniert anders, als bei Menschen und Tieren. Hier kommt es von den Wundrändern aus zu einer Überwallung durch die Kallusschicht. Verletztes Gewebe regeneriert sich nicht, sondern verkapselt sich und verrottet. Neues, sogenanntes Kambium bildet sich oberhalb einer Abschottungslinie über dem verletzten beziehungsweise verrottetem Gewebe. Bei Kambium handelt es sich um frisches Holz, das Wunden verschließt und Verletzungen unsichtbar macht.
Schnittwunden versiegeln – Ausnahmen
Unter bestimmten Bedingungen ist ein Versiegeln von Schnittwunden an Bäumen sinnvoll. Prinzipiell entstehen Probleme, die meist einer Wundversiegelung bedürfen, wenn ein unsachgemäßer Baumschnitt vorgenommen und/oder eine ungünstige Schnittzeit gewählt wurde.
Falsch durchgeführter Baumschnitt
Zu den häufigsten Fehlern beim Baumschnitt zählt die Verwendung von stumpfem Schneidewerkzeug. Dabei entstehen meist ausgefranste Wundränder, die nicht selten kleinste Tunnel weit in das Gewebeinnere bilden und/oder zusätzlich seitlich Gewebe freilegen, durch das sich das Erkrankungsrisiko deutlich erhöht sowie die natürliche Regenerierung erschwert/verzögert.
Schnittzeit in der Vegetationspause
In der Regel begeben sich Bäume ab Herbst langsam in die Winterruhe, in der sie ihr Wachstum bis zu Beginn der neuen Vegetationsperiode im kommenden Frühjahr einstellen. Das Problem ist, dass der optimalste Baumschnitt zur Erhaltung sowie Formkorrektur vieler Baumarten im Spätherbst oder Winter liegt. Durch die Vegetationspause können diese Bäume kein Kambium bilden, um Wunden mit neuem Holz zu verschließen. In der Folge kann die Kälte insbesondere an den äußeren Wundrändern ins Bauminnere gelangen und Erfrierungen hervorrufen. Zudem sind Vertrocknungen in dem Bereich möglich, die dazu führen, dass sich keine neue Zellschicht mehr bilden kann. Das Versiegeln ist in der Schnittzeit während der Vegetationspause deshalb unerlässlich.
Beschädigte Rinde
Es bedarf nicht grundsätzlich einer Schnittwunde, um ein Versiegeln erforderlich zu machen. Es reicht bereits eine aufgeplatzte oder beschädigte Rinde, wie beispielsweise durch einen Autounfall oder einen Wildverbiss entstehen kann. Liegt die Rinde nicht mehr unbeschädigt und vollständig schützend um dem Baum, besteht vor allem bei größeren Flächen ein erhöhtes Risiko einer Vertrocknung, durch welche die Bildung von neuer Borke verhindert wird. Ein Wundverschluss ist hier indes ratsam.
Wunden versiegeln
Handelt es sich um eine beschädigte oder aufgeplatzte Rinde, ist die betroffene Stelle am Baum zu versiegeln. Trifft einer der anderen beiden Verwundungen zu, ist wie folgend beschrieben, vorzugehen:
- Glättung der Wundränder mit einem scharfen Schneidewerkzeug
- eine schräg verlaufende Schnittfläche durchführen, damit Feuchtigkeit abfließen kann
- lediglich die äußeren Wundränder versiegeln
- die eigentliche abgeschrägte Schnittfläche bleibt frei und wird nicht versiegelt
Hausmittel für verletzte Borke
Damit eine Vertrocknung der freigelegten Kambiumschicht bei aufgeplatzter oder anderweitig beschädigter Rinde im Winter verhindert wird, können zwei simple Hausmittel als optimale Alternativen zu Produkten aus dem Handel helfen.
Lehm und eine schwarze Folie
Gehen Sie dabei wie folgt vor:
- Schwarze Folie bereitlegen, die komplett den Stamm im Bereich der Rindenablösung ummanteln kann
- lockere Rindenteile ablösen
- feuchten Lehm auf die betroffene Stelle verteilen
- im Anschluss zügig die Folie über den Lehm legen und um den Stamm wickeln
- die Folie sollte straff gezogen sein
- die Folienenden am optimalsten mit Klebeband befestigen – auf keinen Fall die Folie an den Baum nageln oder tackern
- rund alle zehn Tage die Folie lösen und den Baum für circa 30 Minuten „atmen“ lassen
- eventuelle Lehmreste ebenfalls weitgehend lösen
- danach neuen Lehm auf die betroffene Stelle legen und den Bereich wieder mit der Folie umwickeln
- zu Beginn der neuen Vegetationsperiode Folie und Lehmreste entfernen – den Rest erledigen die Selbstheilungskräfte des Baums
Tipp: Benutzen Sie auf keinen Fall Wachs für den Wundverschluss. Dieser begünstigt das Abtrocknen der Kambiumschicht und verhindert damit den Heilungsprozess.
Baum- und Kerzenwachs als Alternativen
Baum- und Kerzenwachs bieten zwei Hausmittel, mit denen ein Versiegeln von Schnittwunden durchgeführt werden kann. Sie bilden bei fachgerechter Anwendung eine luftdichte Abdeckung – jedenfalls so lange, bis durch Witterungseinflüsse keine Risse oder Ähnliches entstehen.
Beachten Sie bei der Anwendung folgende Punkte:
- Baum- und Kerzenwachs schützt vor Erfrierungserscheinungen nach großflächigen Schnitten im Winter
- versiegelte Flächen regelmäßig auf Risse und Beschädigungen untersuchen und gegebenenfalls mit neuem Wachs korrigieren
- bleiben Risse im Wachs offen, können Pilze, Viren und Bakterien eindringen und sich ungestört verbreiten
- Wachs immer unverzüglich nach dem Schnitt anwenden
- vor der Wachsanwendung immer sicherstellen, dass keine Erregerübertragung durch Schnittwerkzeug erfolgte
- der Baum- und Kerzenwachs ist spätestens im Frühjahr vor allem auf größeren Wundflächen zu entfernen, damit die natürliche Regeneration nicht behindert/verhindert wird
- Baumwachs aus eigenen Baumbeständen sammeln oder im Fachhandel kaufen
- als Kerzenwachs eignet sich jegliche Kerzenart ohne Parfümstoffe
- Anwendung: Kerze anzünden und das Wachs auf die gewünschte Stelle träufeln
Lehm mit Kuhmist als Hausmittel
Als beste Mittel für den Wundverschluss gelten ein Mix aus Lehm und Kuhmist beziehungsweise Kuhfladen. Die beiden Komponenten zusammen legen eine vor Kälte schützende Schicht auf Wunden und beugen gleichzeitig einer Austrocknung des offenen Gewebes vor, sodass der Baum nach einem Winter-Baumschnitt im Frühjahr neues Holz bilden kann. Dies wird durch die Atmungsaktivität zusätzlich unterstützt. Durch den Kuhmist/Kuhfladen werden den Schadstellen zudem wertvolle Nährstoffe zugeführt, welche die neue Zellbildung begünstigen und beschleunigen. Entfernt werden muss diese Versiegelung nicht, da sich die Komponenten eigenständig mit der Zeit abbauen.
Die Mischung sollte in folgendem Verhältnis vermengt werden:
- 2/3 Lehm
- 1/3 Kuhmist/Kuhfladen
- eine Handvoll Steinmehl zur Verbesserung der Güllestruktur
Holzkohlepulver
Holzkohlepulver ist ein gängiges Hausmittel, das nach einem Baumschnitt Verwendung findet. Es begünstigt ein schnelles Abtrocknen feuchter Wundstellen und lässt gleichzeitig Sauerstoff durch, damit beschädigtes Gewebe besser verrottet und Platz für neue Zellen macht. Zudem wirkt es desinfizierend. Aus diesem Grund ist der Einsatz gleichermaßen für ausgefranste Wundränder und Schnittflächen geeignet. Holzkohlepulver lässt sich einfach selbst herstellen:
- zerkleinern Sie handelsübliche Holz-Grillkohle mit einem Mörser
- Alternativ: Holzkohle in eine Tüte legen und mit dem Hammer in kleinste Partikel schlagen – Pulver anschließend aussieben
- Baumwunden mit dem Pulver großzügig bestreuen
- Pulver mit den Fingern andrücken
- nur an trockenen Tagen mit Wetteraussicht auf regen- und windfreie Folgetage anwenden (Pulver wird ansonsten abgespült oder weggeweht, bevor es wirken kann)
Baumteer
Ein Versiegeln mittels Teer sollten Sie nur an Pflanzenteilen anwendeen, die mindestens einen Umfang wie ein Unterarm besitzen. Baumteer ist ein natürliches Mittel, das diffusionsoffen und gleichzeitig wasserabweisend ist.
Es besteht aus natürlichen Bestandteilen wie Harzen und Ölen. Beim Versiegeln optimiert es die Bedingungen, damit sich der Baum an den Wundstellen wieder selbst regenerieren kann. Die Verrottung wird beschleunigt, die Widerstandsfähigkeit wird verbessert und ein besonderer Schutz gegen Feuchtigkeit von Außen, Schimmel- und Schädlingsbefall sowie austrocknendes UV-Licht wird gegeben.
Ein Nachteil ist, dass Holz-/Baumteer eine Dauer von rund zwei Wochen oder mehr zum Aushärten benötigt. Aber auch die Gewinnung ist nicht einfach und es können dabei gesundheitsschädliche Dämpfe entweichen, weshalb nur mit entsprechender Schutzkleidung vorzugehen ist. Aus den genannten Gründen ist es empfehlenswert, fertigen Baumteer aus dem Handel zu beziehen und auf eine Eigengewinnung zu verzichten.
Dispersionsfarbe
Dispersionsfarbe besitzt füllende, bindende sowie atmungsaktive Eigenschaften. Vor allem bei großen Wundflächen, wie beispielsweise bei einem Baumschnitt an Stämmen, verschließt Dispersionsfarbe die offenen Poren nach einem Baumschnitt, sodass von Außen nichts ins Bauminnere gelangen kann. Durch die Atmungsaktivität können Wundstellen nicht „schwitzen“. In der Folge trocknen sie besser ab, ohne ein Austrocknen zu provozieren und minimieren das Risiko einer Fäulnisbildung.
Mischung aus Kuhmist, Kalk und Wasser
Ähnlich wie Dispersionsfarbe kann eine Mischung aus Kuhmist, Kalk und Wasser zum Versiegeln nach einem Baumschnitt dienen. Vor allem über die Vegetationspause hinweg sorgt die Mischung dafür, dass keine Vertrocknung stattfindet, durch die eine Bildung von neuem Gewebe verhindert wird. Die vermischten Komponenten wirken auch vorbeugend vor Rissentstehungen, wie sie im Winter oft an Stämmen vorkommen, wenn sich Kälte und warme Sonne abwechseln. Der Kalkanstrich reflektiert das Sonnenlicht.
Die Herstellung der Mischung erfolgt wie folgt:
- circa zwei 2 Kilogramm gelöschten Kalk mit 10 Liter Wasser mischen
- rund ein Kilogramm Kuhmist untermischen
- alternativ zum Kuhmist können Sie auch Lehm oder 500 Gramm Tapetenkleister untermengen